Die Provokation des Katholizismus

■ Gleich zu Beginn der Fastenzeit ruft uns die katholische Kirche jedes Jahr im Evangelium des ersten Fastensonntags (Mt 4,1-11) die Szene von den drei Versuchungen Jesu in Erinnerung. Nachdem Er vierzig Tage und vierzig Nächte in der Wüste gefastet hatte und Ihn zuletzt hungerte, “trat der Versucher an Ihn heran”. Der hl. Papst und Kirchenlehrer Gregor der Große meint zu dieser Stelle (im Breviergebet, in der 3. Nokturn desselben Tages), “der Geist weigere sich zu glauben und die menschlichen Ohren seien entsetzt zu hören,” dass Jesus als Gottmensch vom Teufel sowohl auf “einen sehr hohen Berg” als auch “in die Heilige Stadt” mitgenommen worden sei. Und dennoch sei dies “nicht unglaubwürdig”. Es ist zwar tatsächlich für jeden frommen christgläubigen und gottliebenden Menschen erschütternd, sich dies vorzustellen, aber Jesus wurde wirklich vom Teufel versucht!
Dabei fällt auf, dass der Teufel sich bei den ersten beiden Versuchungen zu verstellen bemühte und so noch nicht sein wahres Gesicht zeigen wollte. Indem er nämlich bei der ersten Versuchung auf den natürlichen Hunger und Durst des lange fastenden Jesus anspielte und Ihm dann eben nahelegte, doch zu Seinem eigenen Nutzen und Vorteil ein Wunder zu wirken und Steine in Brot zu verwandeln, trat er seiner Intention nach als ein großer Freund Jesu auf. Er wollte als jemand in Erscheinung treten, der sehr um Jesus besorgt sei, dem das Wohlergehen Jesu stark am Herzen liege. Somit präsentierte sich der Teufel hier ausdrücklich sowohl als ein großer Humanist als auch als ein fürsorglicher Sozialarbeiter.
Das eigentlich Perverse dieser Versuchung liegt in der Tatsache, dass der Teufel sich ausdrücklich auf die Bibel berief! Wie für jeden frommen Israeliten so musste die hl. Schrift ja auch für Jesus eine sehr hohe Autorität darstellen, die nicht in Frage gestellt werden konnte und durfte. Also müsste Jesus nach der Logik des Teufels auf sein Ansinnen eingehen, denn sonst würde Er ja als jemand in Erscheinung treten, der den Verheißungen Gottes in der hl. Schrift nicht glaubt - dessen Frömmigkeit somit nicht hinreichend wäre.
Noch deutlicher fährt der Teufel diese Linie bei der zweiten Versuchung bzw. er weitet da seine bereits eingeschlagene Strategie noch weiter aus. Um Jesus noch mehr in Verwirrung zu stürzen, erwartet er nun von Ihm, dass Er sich von der Zinne des Tempels hinabstürze - unter Verweis auf das ausdrückliche Vertrauen eines jeden frommen Israeliten auf den Schutz und die Fürsorge Gottes in der Gestalt Seiner Engel, wie im Buch der Psalmen feierlich verkündet! Ist also Jesus wirklich fromm und gottesfürchtig, müsse Er eben handeln, wie der sich hier als großer Theologe und Schriftgelehrter ausgebende Teufel von Ihm erwartet. Geht Jesus nicht darauf ein, müsse Er sich ja eingestehen, dass Er kein echtes und wirkliches Gottvertrauen habe!
Auch hier leitet der Teufel seine Anmutung mit der Formel ein: “Bist Du Sohn Gottes, so...”. Somit fordert er Jesus auf, Seine Gottessohnschaft gerade dadurch unter Beweis zu stellen, dass Er auf die Linie des Teufels einschwenkt und praktisch nach seiner Pfeife tanzt. Und gesteht ihm Jesus dann erst zu, dass er korrekt die hl. Schrift auslegt und somit sowohl theologisch einwandfrei argumentiere als auch religiöse Tiefe besitze, hat Ihn der Teufel bereits sozusagen in seinen Klauen. Denn wenn der erste Schritt der Verführung “erfolgreich” getan worden ist, fällt es dem Teufel umso leichter, da weitere Schritte anzusetzen. Habe ihn ja Jesus dann praktisch bereits als eine theologische bzw. Glaubensautorität anerkannt!
Und das ist ja gerade das typisch Diabolische an diesen Versuchungen des Teufels - der Fromme, der Gläubige soll komplett verwirrt werden und den Eindruck gewinnen, der Widersacher Gottes spreche sogar ausdrücklich im Namen Gottes! So verliert der Mensch die richtige moralische Orientierung und wird dann umso leichter ein williges Opfer weiterer teuflischer Verführungen. (Im Guten wie im Schlechten fällt ja einem der zweite Schritt in der Regel immer leichter als der erste.)
Und wenn der Mensch dann nicht mehr klar weiß, wo und was Gott spricht und was dem Verantwortungsbereich des Teufels zuzuordnen ist, erkennt er umso schwerer die fundamentale Trennlinie zwischen Gott und dem Teufel als dem listigem Widersacher Gottes und des Menschengeschlechtes. Es wird so das ganze sogenannte sittliche Koordinatensystem durcheinander gebracht und der Gläubige fällt umso schneller und widerstandsloser den leider exzellenten rhetorischen “Künsten” des Diabolus zum Opfer! Wohl nicht zufällig meint das altgriechische Wort diabolos (für “Teufel”) jemand, der alles durcheinander bringt, der Fakten verdreht, der Verwirrung stiftet!
Und erst bei der dritten Versuchung Jesu spricht dann der Teufel deutlich aus, um was es ihm bereits bei den beiden ersten Versuchungen wirklich gegangen ist: “Sodann nahm Ihn der Teufel mit auf einen sehr hohen Berg, zeigte Ihm alle Reiche der Welt samt ihrer Herrlichkeit und sagte zu Ihm: Dies alles will ich Dir geben, wenn Du niederfällst und mich anbetest.” Jesus hat den Durchblick besessen und den Teufel unmissverständlich in die Schranken gewiesen: “Hinweg, Satan! Es steht geschrieben: Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und Ihm allein dienen”. Wie schwer haben es aber wir dagegen, die sogenannte Frontlinie zu erkennen, wenn wir nicht konsequent genug den Willen Gottes erfüllen, und hier vor allem, wenn wir bereits erste Kompromisse mit dem Teufel gemacht haben sollten?
■ Als ich bei der Vorbereitung auf den 1. Fastensonntag dieses Evangelium las, fiel mir gleich auf, welche Parallelen zwischen dem dargestellten Sachverhalt und einem bestimmten Phänomen bzw. einer Nuance in unserer gegenwärtigen Medienwelt und Gesellschaft bestehen. Seit Jahresbeginn 2013 gibt es wieder eine Welle der Berichterstattungen in unserer Medienlandschaft über bestimmte Bereiche des Katholizismus - bisweilen bis zu 2-3 Talkshows pro Woche allein auf den Hauptkanälen des bundesdeutschen Fernsehens, bei welchen der Katholizismus als solcher auf die eine oder andere Weise thematisiert wird.
Nur offenbart diese Häufigkeit der betreffenden Berichterstattung, wie leicht zu erkennen, weder etwa ein gestiegenes objektives Interesse der Medienleute und der Gesellschaft an katholischen Glaubensinhalten noch eine etwaige Zunahme der Religiosität und Frömmigkeit in breiten Schichten der Bevölkerung. Bereits ein kurzes Hineinhören in diese Sendungen lässt im Gegenteil eine solche massive Kritik an bestimmten Elementen und Grundprinzipien des Katholizismus erkennen, die oft absolut nichts mehr mit einer sachlichen Diskussion über diese oder jene theologische oder moraltheologische Frage zu tun hat und somit dem Bereich der teilweise sogar aggressiven Polemik zuzurechnen ist. Auch die Einseitigkeit der bei solchen Sendungen (und Zeitungsartikeln) präsentierten Argumente bzw. die Art der populistischen Stimmungsmache gegen überlieferte katholische Glaubenswerte deuten darauf hin, dass man hier bisweilen sogar mit einem richtigen Hass auf alles Katholische konfrontiert wird.
Die betreffenden konkreten Themen wie Vorwürfe sind ja hinlänglich bekannt. So wird zunächst oft eingewandt, die katholische Kirche verhalte sich lieblos und unchristlich, indem sie wiederverheiratete Geschiedene nicht zur Kommunion zulasse. Dadurch würde man ja diese Menschen stigmatisieren und von der Liebe Jesu wegstoßen (wollen). Ferner würde man Frauen diskriminieren, weil man sie nicht zum Priestertum zulasse. Und dann die armen Priester, die man praktisch zwinge, zölibatär zu leben - es müsse unbedingt der verheiratete Priester her.
Des weiteren entspräche die katholische Ehe- und Sexualmoral nicht mehr dem modernen Welt- und Menschenbild. Wenn man die Ausübung der Sexualität des Menschen nur in bzw. innerhalb der Ehe gestatte und das Praktizieren homosexueller Neigungen als Sünde bezeichne, übersähe man seitens der katholischen Kirche die Realitäten, in welchen die Menschen häufig lebten. Indem sie also in ihrer Lehre nicht den oft teilweise sogar komplett entgegengesetzten Lebensentwürfen vieler Menschen näher komme, vertrete sie ein altmodisches bzw. total veraltetes Menschenbild und schrecke somit den modernen Menschen nur von der katholischen Religion ab.
Und dann kommt oft auch das Argument, welches jene oben angesprochene Parallele zum Evangelium von den Versuchungen Jesu in der Wüste aufweist, Jesus würde, würde Er heute auf Erden leben, sich dieser aller Menschen unbedingt nur in Liebe und Güte annehmen und keinen von ihnen durch irgendwelche Forderungen von sich abstoßen. Damit wird mehr als nur angedeutet, dass man davon ausgehe, Jesus hätte nicht wirklich etwas z.B. gegen die Ehescheidung und somit auch gegen eine zweite (und dritte und eine jeweils weitere) Wiederverheiratung. Ferner würde Er praktisch wie selbstverständlich auch sämtliche außereheliche Sexualpraktiken gutheißen, wie auch immer sie aussehen mögen, sofern sich die betreffenden Menschen nur mit (einer nicht weiter definierten und somit diffusen Vorstellung von) “Liebe” begegnen. Selbstverständlich wäre für Jesus auch die praktizierte Homosexualität kein Problem.
Und zwar wird dies alles dann mit dem sehr “frommen” Argument erklärt, Jesus habe ja nur Liebe und Verzeihung gepredigt und keine Ressentiments oder Ablehnung zwischen den Menschen haben wollen. Man beruft sich da wohlgemerkt ebenfalls auf das Evangelium Jesu Christi (!), um sich gegen eine ganze Reihe von zentralen Lehren des Evangeliums Jesu Christi auszusprechen. Die wahrhaftige Treue zur Lehre Jesu bestünde nun angeblich darin, die aus apostolischer Zeit überlieferten und somit unumstößlichen katholischen Glaubenswahrheiten und bestimmte unbequeme Lehren der christlichen Moral einfach über Bord zu werfen und statt dessen das moderne vielfach atheistische bzw. manchmal sogar antichristlich bestimmte Welt- und Menschenbild anzunehmen. Die modernen Medien als die theologische Instanz, die die Lehre Jesu am treffendsten und authentischsten auslege! Ist man nun wirklich ein Bösewicht, wenn man da eben gewisse Parallelen zur Argumentation des Teufels in Mt 4,1-11 wahrnimmt?
■ Aber wie reagierte Jesus auf die theologischen “Weisheiten” des Teufels, mit denen dieser Ihn in den beiden ersten Versuchungen in seinen Bann ziehen wollte? Jesus verwies in Seinen beiden Antworten jeweils auf eine bestimmte Grundwahrheit des Glaubens aus der Heiligen Schrift, mit welcher der Geltungsbereich der vom Teufel ins Spiel gebrachten theologischen Argumente eingeschränkt werden konnte bzw. aufgezeigt wurde, wie jene vom Teufel gebrauchten bzw. letztendlich missbrauchten Schriftstellen in der Gesamtheit des ganzen Glaubens verstanden werden müssten! Damit halt auch nicht die eine Stelle unsachlich und unzutreffend gegen eine andere Stelle ausgespielt werde.
Selbstverständlich begegnet uns Gott primär in Seiner Liebe - diese Wesenseigenschaft Gottes dominiert die ganze christliche Religion: “Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und an sie geglaubt. Gott ist die Liebe. Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm.” (1 Joh 4,16) Nur bedeutet dieser Glaube an Gott und Seine Liebe auch, dass der Mensch insofern “in der Liebe (Gottes) bleibt”, dass er unbedingt auch den entsprechenden sittlichen Willen Gottes, Seine Gebote, in der moralisch positiven Haltung seines Willens bejaht bzw. einhält. Nur so kann es zur gnadenhaften und beseligenden Teilhabe des menschlichen freien Willens an der Liebe und Güte Gottes kommen, die die eigentliche lebendige Glaubenshaltung ausmacht.
Was dann im Einzelnen z.B. die Ehe angeht, so hat Jesus auch ausdrücklich ihre Unauflöslichkeit gepredigt! Das stand bei Ihm übrigens nicht im geringsten Widerspruch zu Seiner grundsätzlichen Liebe zu den Menschen: “Habt ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer am Anfang den Menschen als Mann und Frau geschaffen und gesagt hat: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und die zwei werden ein Leib sein? Sie sind also nicht mehr zwei, sondern ein Leib. Was nun Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen.” (Mt 19,4-6) So galt dann auch der Ehebruch in der katholischen Kirche seit den Lebzeiten der Apostel zu den schlimmsten Sünden - zusammen mit Apostasie (Glaubensabfall) und Mord bildete der Ehebruch die so genannten Kapitalsünden, von denen man in der Kirche der ersten Jahrhunderte nur ganz schwierig eine Lossprechung erhalten konnte. Als Ehebrecher galt man als exkommuniziert und durfte selbstverständlich auf keinen Fall zur hl. Kommunion!
Somit entbehrt die heute von manchen sich als große “Theologen” aufspielenden Menschen und Medien gern aufgestellte Behauptung, Jesus würde heute, wenn Er auf Erden leben würde, auf keinen Fall z.B. die wiederverheirateten Geschiedenen von sich stoßen, sondern würde sie sehr wohl zur Kommunion zulassen, nicht nur einer jeglichen Grundlage im Evangelium, sondern verdreht das von Jesus gepredigte Prinzip der Unauflöslichkeit der Ehe sogar in ihr komplettes Gegenteil! Und wenn das gegenseitige Ja-Wort des Brautpaares bei der Trauung praktisch jederzeit wieder zurückgenommen werden könnte und die gegenseitige Treue nicht unbedingt gelebt werden müsste, würde man grundsätzlich eine Lawine loslassen, bei welcher die von Gott geheiligte Institution der Ehe als solche letztendlich der Lächerlichkeit preisgegeben wird bzw. zu einer billigen Karikatur verkommt. Denn wenn man ein essentielles Element einer Sache aufgibt, gibt man letzten Endes auch die Sache selbst auf! Und in der Ehe wird die Liebe durch die Treue bedingt.
Was die strikte katholische Sexualmoral angeht, so saß Jesus zwar sehr wohl mit den Zöllnern und Sündern zu Tisch und pflegte mit ihnen somit durchaus Gemeinschaft. Dies rief dann auch den lauten Unmut der Pharisäer hervor (vgl. Mt. 9,10f.) Nur geht aus der darauffolgenden Reaktion Jesu deutlich hervor, dass Er die Sünden dieser Menschen keinesfalls etwa bagatellisiert oder sogar gutgeheißen hätte, sondern sie ausdrücklich als Sünder angesehen und zur Umkehr von ihrem verkehrten Lebenswandel aufgerufen hat: “Jesus hörte es und sagte: ‘Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. Geht hin und lernt, was das heißt: Barmherzigkeit will Ich und nicht Opfer. Denn Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu berufen, sondern Sünder.’” (Mt 9,12f.)
Zwar schritt Jesus energisch dagegen ein, dass eine Frau, “die beim Ehebruch ertappt worden war”, vom Volk gesteinigt würde. Es sollte ja bekannterweise der den ersten Stein werfen, wer ohne Sünde sei. Und nachdem dann alle leise davon geschlichen waren, “sagte Jesus zu ihr: ‘Auch Ich verurteile dich nicht. Geh hin und sündige fortan nicht mehr!’” (vgl. Joh 8,3-11) Jesus gibt praktisch jedem Gelegenheit, sich an Ihn zu wenden und vom falschen Werg abzukehren - so gesehen stoßt Er niemand von sich weg und verachtet auch niemand. Aber Er stellt auch unmissverständlich Seine moralischen Forderungen auf und lässt auf dieser Ebene mitnichten mit sich diskutieren bzw. billig feilschen!
So beruht auch die strikte katholische Sexualmoral, die die Ausübung der Sexualität nur innerhalb einer Ehe gestattet, auf der Grundlage dessen, was Jesus Seine Apostel gelehrt und was dann auch uns heute von der wahren katholischen Kirche in Erinnerung gerufen wird! Denn wenn man wie der authentische Katholizismus unbedingt an der Heiligkeit der Ehe festhalten möchte, muss man folgerichtig auch jeden Missbrauch der Ehe als unsittlich bezeichnen - ob dies nun auf die Zustimmung der gesellschaftlichen Mehrheit trifft oder nicht. Die konsequente Bejahung eines hohen Gutes schließt immer auch alles aus, was dazu im Widerspruch steht!
Somit ist auch die Bemühung so mancher “Theologen” und “Schriftgelehrten” der heutigen Zeit, die entsprechende katholische Lehre - sogar noch unter Berufung auf die Liebe und Barmherzigkeit Jesu - in Frage zu stellen und schlussendlich zugunsten einer praktisch weitestgehenden sexuellen Freizügigkeit und Liberalisierung ganz aufzugeben, völlig abwegig und findet weder in den Worten Jesu noch im Neuen Testament irgendeine Legitimation. Es ist nur ein gekünsteltes Jonglieren mit Worten, wobei da die Wahrheit so lange dialektisch hin und her gedreht und gebogen wird, bis das erwünschte Resultat herauskommt. Auch hier erinnert diese “Kunst” sehr stark an die entsprechende “Weisheit”, die der Teufel bei den ersten beiden Versuchungen Jesu an den Tag gelegt hat!
Und welche schlimmen Folgen sich aus einem so praktizierten Leichtsinn ergeben können, ist dann ganz deutlich an der Frage nach der moralischen Zulässigkeit der Abtreibung zu erkennen. Der katholischen Kirche als solcher wird ja heute ebenfalls gern zum Vorwurf gemacht, sie habe kein Interesse an jenen Frauen, die schwanger geworden sind, sich aber z.B. in einer schwierigen sozialen Lage befinden. Man würde dann halt eine unmenschliche, ja teilweise sogar ausdrücklich unchristliche Denkweise offenbaren, wenn man sich auch in solchen Fällen gegen eine Abtreibung aussprechen sollte.
Man redet heute in unseren Medien und der Gesellschaft von einer Abtreibung oft so, als würde es sich hierbei um etwas fast ganz Belangloses - wie etwa um eine Pickelentfernung - handeln. Dabei wird bewusst oder unbewusst unter den Tisch gekehrt, dass die Abtreibung letztendlich nichts anderes als Tötung von menschlichem Leben ist! Es gab gerade im Lauf der letzten 100 Jahre so manche politischen Systeme, in welchen der Wert des menschlichen Lebens stark relativiert und teilweise sogar zwischen einem angeblich werthaften und einem angeblich nicht werthaften Leben (welches man dann im Prinzip auch bedenkenlos auslöschen “durfte”!) unterschieden wurde. Und wenn man dann zur Sprache bringt, dass der Katholizismus die Abtreibung kategorisch ablehnt, dann müsste man - wollte man jedenfalls sachlich und gerecht sein - unbedingt auch wenigstens ergänzend hinzufügen, dass sich die katholische Kirche zu dieser Haltung keinesfalls etwa aus purer Langeweile durchgerungen hat oder weil sie irgend jemand quälen möchte. Nein, es müsste gesagt werden, dass sie diesen konkreten moralischen Standpunkt letztendlich deswegen vertritt, weil sie sowohl den besonderen Wert des uns von Gott geschenkten menschlichen Lebens unterstrichen wissen will, als auch einer jeglichen Interpretation, die dann in der Folge zur Relativierung des menschlichen Lebens führen muss, einen Riegel vorschieben möchte!
Der Katholizismus musste in den letzten Monaten viel an medialen Prügeln auch wegen des Falles einer vermutlich vergewaltigten und somit eventuell schwanger gewordenen Frau einstecken, welche daraufhin von zwei Kliniken in Köln, welche sich in kirchlicher Trägerschaft befinden, keine Abtreibungspille verschrieben bekommen hat. (Ihr wurde eben nicht die erste ärztliche Versorgung verweigert, wie in den Medien oft realitätsverdrehend [warum wohl so?] dargestellt wird!) Es ist unmissverständlich klar, dass jener Frau ein sehr großes, ja furchtbares Unrecht angetan worden ist - eine Vergewaltigung gehört zu den schlimmsten Dingen, die man einem Menschen antun kann!
Dann aber hingehen und teilweise sogar noch unter ausdrücklicher Berufung auf christliche Moralnormen behaupten, die Kirche würde sich sogar zutiefst unchristlich verhalten, wenn sie auch in solchen Fällen keine aktive Zustimmung zur Abtreibung gibt, ist - extrem zurückhaltend formuliert - sehr sehr unredlich. Denn die Kirche tritt ja dadurch dafür ein, dass der Wert des menschlichen Lebens in keinster Weise und auch durch keine Umstände relativiert werde. Vergessen wir bitte nicht, auch im schlimmen Falle einer Vergewaltigung handelt es sich bei der Abtreibung eines so entstandenen Kindes immer noch um nichts Geringeres als um die Tötung eines menschlichen Lebens. Legitimiert denn ein erlittenes furchtbares Unrecht wirklich dazu, ein anderes Leben gänzlich auszulöschen? Wenn man auf diese höchst ernsthafte Frage mit billiger Polemik gegen die katholische Kirche reagiert, offenbart man nur sein Desinteresse an der seriösen Behandlung des ganzen Themas.
Wollen wir wirklich zulassen, dass sich in den Köpfen der Bevölkerung die Vorstellung breitmacht, als sei ein Leben wertvoller und schützenswerter als ein anderes? Wir als Gesellschaft werden wohl kaum die betreffende Lawine kontrollieren können, welche wir hier loslassen... z.B. die entsprechenden furchtbaren Phänomene der NS-Zeit sollen uns da doch bitte zur Warnung dienen!
Statt als erstes auf den Katholizismus los zu prügeln, sollte sich unsere Gesellschaft, und hier v.a. auch unsere Massenmedien, lieber darauf konzentrieren, sowohl die für das Zusammenleben von Menschen enorm wichtigen Werte der Treue, Aufrichtigkeit, Familie, Kinder, Unantastbarkeit von menschlichem Leben hervorzuheben und zu betonen als auch in ihrer Berichterstattung alles unterlassen, was zur Sexualisierung des öffentlichen Lebens und somit der Degradierung eines Menschen, ob Mann oder Frau, zu einem reinen Sexobjekt führt! (Haben denn unsere Medien und somit auch unsere Gesellschaft als solche, die solches überhaupt zulässt, nicht gerade auf diesem Gebiet sehr viel Schuld auf sich geladen?) Wenn der Mensch als viel mehr als nur als ein hauptsächlich sexgesteuertes Wesen angesehen und präsentiert wird, verhindert man übrigens indirekt auch so manche künftige Vergewaltigung...
■ Der hl. Apostel Paulus fragt im Römerbrief, warum denn Israel nicht zur Rechtfertigung durch den Glauben an Jesus Christus gelangte. “Es stieß sich an dem Stein des Anstoßes, wie geschrieben steht: ‘Ich setze in Sion einen Stein des Anstoßes, einen Felsen zum Straucheln. Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden’ (Is 8,14; 28,16). ... Sie haben die Gerechtigkeit, die von Gott kommt, verkannt und ihre eigene geltend zu machen versucht und haben sich der Gerechtigkeit durch Gott nicht unterworfen. Ist doch Christus das Endziel des Gesetzes, der jedem, der glaubt, zur Gerechtigkeit wird.” (Röm 9,32f.; 10,3)
Während Seines öffentlichen Wirkens war Jesus weder daran interessiert, letztendlich nur dem Volk zu willfahren, noch bemüht, sich bei dessen führender Schicht einzuschmeicheln. Jesus sah Seinen eigentlichen Auftrag ausdrücklich darin, sowohl den Menschen unmissverständlich und kompromisslos den Willen Gottes kundzutun als auch die höhere Gerechtigkeit zu wirken und die Erlösung von der Sünde zu bewirken. Dabei interessierte Ihn in erster Linie auch nicht, ob Er dabei auf Zustimmung oder Ablehnung stoße - Er wollte für die Menschen primär die Gelegenheit und Möglichkeit schaffen, dass sie sich besinnen, umkehren und das Heil im wahren Gott erlangen könnten!
Nun haben Ihm aber leider bei weitem nicht alle ihr Herz geöffnet. Und auch da biederte Er sich den Menschen nicht an, sondern nahm aus Treue zu Seinem Vater und dem eigenen Auftrag sogar den eigenen Tod in Kauf. So bewahrheitete sich auch das prophetische Wort des Greisen Simeon, der “zu Maria, Seiner Mutter sagte: ‘Siehe, dieser ist bestimmt zum Fall und zur Auferstehung vieler in Israel und zum Zeichen des Widerspruchs‘” (Lk 2,34).
Man wirft heute der katholischen Kirche als solcher oft vor, sie sei rückständig in ihrem Denken, altmodisch in ihren Auffassungen, verkrustet in ihren Strukturen. Dieses oder jenes Glaubensdogma bzw. die überlieferte Sittlichkeitslehre der Kirche sei halt nicht mehr zeitgemäß und stoße viele Menschen von sich ab. Die moderne Welt des 21. Jahrhunderts habe sich weiter entwickelt, wobei der Katholizismus vielfach im Mittelalter stecken geblieben sei.
Wenn man diese Einwände genauer analysiert, stellt man fest, dass hier der Mensch als solcher zum Maß aller Dinge gemacht wird bzw. seine Meinungen und Wünsche als Richtschnur des Glaubens und der Sitten herhalten sollen. Somit wird der Mensch zur obersten Instanz in Fragen des Glaubens und der Moral erhoben!
Nun, darauf kann und darf sich der wahre Katholizismus niemals einlassen! Der Maßstab aller Glaubensdinge ist Gott, und zwar wie uns Jesus Christus als die menschgewordene 2. Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit und die Offenbarung des Vaters gelehrt hat: “Niemand hat Gott je gesehen. Der Eingeborene, der Gott ist, der da ruht am Herzen des Vaters, Er hat Kunde gebracht” (Joh 1,18)! Die Kirche soll “das Licht der Welt” und “eine Stadt auf dem Berg” sein (vgl. Mt 5,14-16), die sich nicht der Tagesmeinung der Menschen verschreibt, die dann vielleicht schon morgen wieder überholt sein wird. Sie muss in Treue zur Lehre Jesu Christi und der geheiligten Tradition der Kirche bleiben, denn sonst verkommt sie nur einer der vielen politischen Parteien, die ihre Parteiprogramme inhaltlich letztendlich nur nach dem jeweiligen Wind der menschlichen Tagesmeinung ausrichten.
Opportunisten gibt es viele auf dieser Welt. Die Menschen brauchen aber eine Instanz, die sich weder durch die politischen und gesellschaftlichen Mehrheiten verbiegen lässt noch ihre Lehrinhalte auf dem Altar einer vermeintlichen “Modernität” und falsch verstandenen “Aufgeschlossenheit” für angeblich Neues opfert. Und auch wenn man dann als Katholik viele mediale Kritik und sonstige Häme zu hören bekommt - dies zeigt nur, dass die wahre katholische Kirche die (oft sogar antichristlichen) Mächte dieser Welt eben nicht zu ihren Freunden zählt, sondern nur an Jesus Christus und Seiner unveränderlichen Heilslehre festhalten will!
Lassen wir uns im Glauben enger an unseren göttlichen Heiland Jesus Christus binden und beherzigen wir dabei auch die folgenden eindringlichen Worte des Apostels Paulus, die er ursprünglich an seinen Schüler Timotheus richtete: “Ich beschwöre dich vor Gott und Christus Jesus, dem einstigen Richter der Lebendigen und der Toten, bei Seiner Wiederkunft und bei Seinem Reiche: Verkündige das Wort! Tritt dafür ein, es sei gelegen oder ungelegen. Überführe, weise zurecht und ermahne mit aller Geduld und allem Geschick. Denn es kommt die Zeit, da man die gesunde Lehre unerträglich findet und sich nach eigenem Sinn Lehrer über Lehrer sucht, um sich einen Ohrenschmaus zu verschaffen. Der Wahrheit verschließt man das Ohr und ergötzt sich an Fabeln. Du aber bleib in allem besonnen. Trage die Leiden. Vollzieh die Aufgabe als Verkünder der Heilsbotschaft. Versieh voll und ganz deinen Dienst!” (2 Tim 4,1-5)

P. Eugen Rissling

 

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